Bist du in deinen Gedankennetzen gefangen?

Gedankennetze sind verführerisch. Sie geben Orientierung und Sicherheit. Sie erleichtern deinen Alltag, weil du mit Autopilot auf den Trott der täglichen Wiederholung reagierst. Mit der Zeit wird es Routine und Ritual. Immer feiner spinnen diese Gedankennetze dich ein. Bis sie dich eingefangen haben, so still und leise, dass du gar nicht weißt, wie und was dir passiert ist. Du spürst nur noch, da stimmt was nicht, dein Leben fühlt sich so leer, so fremd, so entrückt, so unlebendig an.

Zielgruppe des Artikels

Menschen, die innerlich spüren, dass sie sich im Kreise drehen — jedoch nicht genau wissen warum. 

Inhaltsverzeichnis

Was sind Gedankennetze?

Gedankennetze sind Annahmen und Erwartungen an die Welt, an Gruppen und Menschen, an Situationen und Sachen und vor allem an dich selbst. Sie sind so alltäglich, dass du deren Existenz oftmals nicht mehr bemerkst. Du wirfst sie automatisch und unbemerkt über alles, was in dein Bewusstsein kommt.

»Von klein auf versuchen wir, die Welt zu verstehen. Wir erschaffen uns eine Welt aus den Vorstellungen, die wir aufgrund der Erfahrungen mit der Umwelt machen. Wir müssen die Welt - nahezu zwanghaft - erklären. Wir können gar nicht anders. Ein Leben ohne Vorstellungen ist für uns schlicht unvorstellbar. Durch den Erwerb von Vorstellungen werden wir zu menschlichen Wesen.«

Gedankennetze vereinfachen dein Leben. Du nutzt deine Autopiloten, um alltägliche Situationen zu bewältigen — und gewinnst somit freie Ressourcen. Nimm die tägliche Fahrt zur Arbeit, sie läuft so automatisch ab, dass du dich 10 Minuten später kaum an Einzelheiten erinnerst. 

Du triffst einen Freund und wirfst deine Gedankennetze, wie der Andere ist, sich verhält, was er tut, was nicht, was er mag, was nicht … du kennst seine Antwort bereits, bevor er spricht.

Wie entstehen und stabilisieren sie sich?

Du ahnst es: Es ist ein Leben mit Blick in den Rückspiegel (andere nennen es ein Leben im Zombieland!). Du reagierst nur noch, je nachdem welche Tasten jemand bei dir drückt. Deine interne Wenn-dann-Logik läuft wie geschmiert.

Deine Gedankennetze speisen sich aus der Vergangenheit. Sie kommen von deinen Erfahrungen und Erlebnissen. Doch die meisten Gedankennetze speisen sich aus fremden Quellen:

  • Internet,
  • Fernsehen,
  • soziale Medien,
  • Familie,
  • Erziehung,
  • Bildung,
  • Freunde,
  • Bücher

Der Kontext richtet ab

Einmal angelegt, hat dein Gedankennetz die Tendenz sich selbst zu bestätigen. Wer einmal etwas glaubt, der kommt schwer davon los. Manchmal verteidigen Menschen ihre Gedankennetze bis zur Selbstaufgabe. Die Wissenschaft nennt dies auch Moore’s Paradox.

Der Kontext richtet aus

Die Besonderheit von Gedankennetzen ist, dass für deren Aufrechterhaltung der Kontext entscheidend ist. D. h. ob ein Gedankennetz Bestand hat, hängt davon ab, in welcher Umwelt wir uns bewegen. Drei Beispiele:

  1. Das Gedankennetz „Tiere sind zum Essen“, ist in einer Metzgerfamilie „normal“. In einer Familie, die sich vegan ernährt, stört er. 
  2. Das Gedankennetz „schwarze Kleidung“ ist in einem Gothic-Umfeld „normal“, in anderen Kontexten führt es meist zur Abwertung des Trägers.
  3. Das Gedankennetz „hier kann ich schreien, fluchen, pfeifen, aggressive Lieder singen“ ist im Fußballstadion weit verbreitet. In der Kirche würde dieses Verhalten für Irritationen sorgen. 

Jede kontextuelle Stimmigkeit ist willkürlich und kulturell bedingt. In anderen Kulturen könnte es umgekehrt sein.

Sozialisierung und Ver-rücktheit

Wir nennen diese Anpassungsleistung Sozialisierung. Sie nimmt auf individuelle Bedürfnisse kaum Rücksicht, sondern hat die Standardisierung und Normierung von Gedankennetzen zum Ziel. Sich dem Kollektiv anzupassen, ist deshalb „normal“. Individuelle, unabhängige Gedankennetze zu pflegen, gilt auf Dauer als „ver-rückt“.

Zwischenfazit

Gedankennetze entstehen aus eigenen Erfahrungen (Individualisierung) oder aus fremden Quellen (Sozialisierung). Sie stabilisieren sich durch die Anschlussfähigkeit an die Umwelt. Abweichende Gedankennetze werden in unserer Kultur sanktioniert, damit individuelle Gedankennetze das kollektive Weltbild, den sozialen „Frieden“ nicht mehr stören.

Sind Gedankennetze ein Problem?

Das größte Problem ist der verführerische Charakter von Gedankennetzen. Im der Anfangszeit schenken dir neue Gedankennetze frische Energie, weil du freie Energie gewinnst. Du denkst über gewisse Menschen, Situationen und Sachen nicht mehr nach, sondern wirfst gekonnt dein Gedankennetz über. Es funktioniert tadellos. Es gibt dir dazu noch (Pseudo-)Sicherheit und (Pseudo-)Planbarkeit.

Immer mehr Gedankennetze prägen nach und nach dein Leben, dein Sein. Unmerklich übernehmen sie in deinem Leben die Führung. Je mehr dies passiert, desto mehr beginnst du nur noch zu funktionieren. Gedankennetz nach Gedankennetz abzuspulen. Dann kippt es. Statt dir Energie zu geben, zieht dieses Funktionieren Energie von dir ab. Doch du kannst es nicht begreifen, nicht erklären. Du fühlst dich leer, kraftlos, sinnlos und entfremdet von dir und der Welt. Jetzt lebst du schon lange nicht mehr in deiner Welt, sondern bist gefangen in der Welt von Gedankennetzen.

»Vorstellungen werden oft unterschiedlich verstanden, weil sie fast nie für sich allein stehen. Sie sind im Unbewussten vielfach vernetzt mit anderen Vorstellungen, die sich gegenseitig beeinflussen. So ist beispielsweise das Wort "Lernen" unter anderem mit Begriffen wie "Auswendiglernen", "Fleiß" und "Noten" verbunden. Wenn wir in ein Gespräch vertieft sind, können Vernetzungen dazu führen, dass wir vom Hundersten ins Tausendste kommen. Die hochgradige Vernetzung ist ein Grund dafür, dass wir immer wieder erleben müssen: Vorstellungen lassen sich nicht so leicht verändern. Auch mit den besten Argumenten ist ihnen nicht beizukommen. Eine bleibende Veränderung setzt eine Anpassung der mit ihnen vernetzten Vorstellungen voraus, was nicht allein durch rationale Einsicht, sondern wiederum nur durch zusätzliche Erfahrungen gelingen kann.«

Daraus ergeben sich drei Folgeprobleme

  1. Du hast zu viele fremde Gedankennetze!
  2. Du bist dir deiner Gedankennetze nicht bewusst!
  3. Du passt diese Gedankennetze nicht mehr an das Leben an!

Du hast die Wahl!

  • Willst du ein Leben leben, dass von fremden Quellen definiert wird?
  • In dem es dir wichtig ist, mit dem Strom zu schwimmen und möglichst unauffällig zu bleiben?
  • Verzichtest du gerne darauf, deine Individualität zum Ausdruck in die Welt zu bringen?
  • Bevorzugst du ein Leben grau-in-grau, mit einem unbewussten Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit?

Deine Antwort ist jeweils „ja“? Dann gibt es kein Problem für dich. Nutze deine Lebenszeit für andere Dinge und höre auf diesen Beitrag zu lesen.

Du liest weiter?

Hier weitere Fragen an dich:

  • Willst du deine Einzigartigkeit ausleben?
  • Willst du lebendig und voller Energie und Kraft deine Tage gestalten?
  • Willst du mit der Welt teilen, was einzigartig in dir angelegt ist?
  • Willst du wirkliche Begegnungen mit anderen Menschen und mit dem Leben?

Solltest du diese Fragen mit „ja“ beantworten, dann lohnt es sich für dich, weiterzulesen.

»Aber nur wer auf alles gefaßt ist, wer nichts, auch das Rätselhafteste nicht, ausschließt, wird die Beziehung zu einem andren als etwas Lebendiges leben und wird selbst sein eigenes Dasein ausschöpfen.«

Deine drei Herausforderungen und deren Lösung!

  1. Unbewusstheit
  2. Starrheit
  3. Dominanz

Unbewusstheit

Die erste Herausforderung besteht darin, dass du nicht weißt, dass deine Gedankennetze deinen Alltag prägen.

So kommst du ihnen auf die Schliche: Sitze in Ruhe, schließe die Augen, denke an eine Situation, einen Menschen oder an dich und schwups, sind sie da. Schreibe auf, was dir durch den Kopf schwirrt. Jetzt schaue dir das Gedankennetz an. Stammt es aus deinen Erfahrungen oder aus fremden Quellen? Beachte diesen Unterschied, damit du in die Eigenverantwortung kommst. Allein zu erkennen, dass dies fremde Gedankennetze sind, öffnet deinen Blick.

Starrheit

Schau dir deine Welt an. Ist sie logisch, starr und vorhersehbar — oder komplex, sprunghaft und voller Überraschungen? Falls letzteres der Fall sein sollte, ist die zweite Herausforderungen deine Gedankennetze anzupassen.

Fange an, mit den Gedankennetzen zu spielen. Prüfe, ob du bereit bist diese zu verändern. Nimm dir deinen besten Freund, deine beste Freundin.

  • Wie viele Jahre kennst du ihn/sie?
  • Wie viele Gedankennetze hast du über ihn/sie?
  • Verändere diese, gehe in neue Begegnungen und schaue was ohne Gedankennetze passiert.
  • Stelle dir vor, du triffst diesen Menschen beim nächsten Mal zum ersten Mal! Lerne ihn neu kennen.
  • Verkehre dieses Gedankennetz ins Gegenteil, schaue was sich ändert.

Dominanz

Nun kennst du deine Gedankennetze und weißt, wie sie dein Erleben und Handeln prägen. Ein guter Zeitpunkt die Dominanz deiner Gedankennetze zu verändern. Bisher waren sie eine Brille, mit der du die Welt betrachtet und bewertet hast. In Zukunft dürfen Gedankennetze gute Ratgeber sein, die dich unterstützen, dich in der Welt zu bewegen. Sie drängen sich jedoch nicht auf, sondern sind im Hintergrund, lassen dir den Raum im Augenblick. Melden sich erst, wenn etwas unstimmig wird, etwas nicht passt. Sie sind jedoch keine Richter, die eindeutige Aussagen treffen, vielmehr stellen sie Fragen, die dich zum Nachdenken anregen, regen deine Intuition an und führen dich in die situative Selbstverantwortung.

»Intuition heisst, Beziehung zu sich selbst aufnehmen.«

Was ist das Gegenteil von einem Leben in Gedankennetzen?

Das Gegenteil von Gedankennetzen ist Anfänger-Geist. Er steht für die Fähigkeit, jeden Moment mit Offenheit, Neugier, Interesse, Unwissenheit und voller Präsenz zu erleben und zu gestalten.

Was dich dort erwartet!

Ein Leben, das sich von fixierten Gedankennetzen zu einem Leben im Anfänger-Geist wandelt, ist vergleichbar mit einem erfrischenden Frühlingserwachen. Dein Alltag wird farbenfroher, lebendiger, intensiver, sinnvoller und vor allem bunter. Anstatt flüchtiger Vergegnungen erlebst du tiefgehende Begegnungen. Du gehst nicht mehr erschöpft durch den täglichen Trott, sondern jeder Augenblick schenkt dir Energie und pure Lebensfreude.

»Die Einsammlung und Verschmelzung zum ganzen Wesen kann nie durch mich, kann nie ohne mich geschehen. Ich werde am Du, Ich-werdend spreche ich Du. Alles wirkliche Leben ist Begegnung.«

Das bedeutet nicht, dass danach alles rosarot ist. Es bedeutet, dass du bewusster durch dein Leben gehst und neugierig bist, welche Erfahrungen auf dich warten. Du wirst weniger bewerten, mehr beobachten und überrascht sein, was du bisher alles übersehen hast! Du spürst in dir, wie du beginnst dein Leben zu leben! Du spürst die Vielfalt des Lebens, die Verbindungen des Lebens und tauchst ein die Tiefe deines Seins.

Zwei Empfehlungen von Darrel Combs 

Starte den Tag mit der Frage: Was inspiriert mich heute? Was bringt dich in-spirit? Was belebt dich heute? Dann lasse los, erwarte und suche keine Antwort, sondern werde still und beobachte, was sich dir offenbart — jenseits von Kopfkino und Pflichtenlisten. Lasse dich auf dein Leben ein und synchronisiere dich mit dem, was sich aus dir heraus entfalten will.

Komme in den Eulenblick. In eine Weitwinkelversion des Sehens, raus aus dem Tunnelblick, raus aus dem Stressfokus. Höre auf Dinge zu fokussieren und zu benennen. Sehe die Zwischenräume, erkenne zwischen den Dingen, spüre dort hinein. Nehme die lebendigen Systeme hinter den Dingen wahr. Nehme die Prozesse wahr, die zu diesen Dingen führen. Verschmelze dich damit und spüre deine Allverbundenheit.

Praxistipp
Hier zwei außergewöhnliche Möglichkeiten, deine bisherigen Gedankennetze loszuwerden.

Drei andere Möglichkeiten

Eine gute Möglichkeit seinen Gedankennetzen auf die Schliche zu kommen, ist das Sokratische Gespräch. Ich biete drei Formate dazu an

Sokratisches Gespräch Online

Wer glaubt, dass Online keine wirklichen Begegnungen möglich sind, kennt dieses Format nicht!
0
  • Sokratisches Gespräch selbst erfahren
  • Online via Zoom
  • maximal 8 Akteure
  • 1 x Monat
  • für alle, die neue Erkenntnisse nicht ablehnen
04. DEZ 2024

Sokratischer Führungskreis Online

Eine sokratischer Gesprächskreis,
der sich mit aktuellen Führungsthemen auseinandersetzt.
111 je Gespräch
  • sokratische Reflexion zu Führungsthemen
  • Online via Zoom
  • maximal 8 Akteure
  • 1 x Quartal
  • für alle, die mehr Fragen als Antworten haben
16. JAN 2025

Sokratischer Männerkreis Online

Gespräche unter Männer sind anders. Erlebe diesen geschützten Raum, um dich selbst neu zu erfahren.
111 je Gespräch
  • sokratische Gespräch unter Männern
  • Online via Zoom
  • maximal 8 Akteure
  • 6 x Jahr
  • für Männer, die spüren, dass sie noch nicht angekommen sind
18. JAN 2025