Vergisst du das Wesentliche im Alltag?
Unser Alltag kann oft wie ein unsichtbarer Gegner wirken: fordernd, unerbittlich und scheinbar unaufhaltsam. Er verlangt deine volle Aufmerksamkeit, zerrt an deiner Energie und lässt dir kaum Zeit, in Ruhe und Stille zu reflektieren. Stattdessen fühlst du dich gehetzt, ständig in Bewegung, während das Gefühl von „zu wenig Zeit“ wie ein ständiger Begleiter ist. Du spürst den Wunsch nach Veränderung, aber wie soll das gehen? Es scheint, als hätten sich die Dinge so festgesetzt, wie sie gerade sind – unveränderlich, unumgänglich. Manche würden es vielleicht drastisch ausdrücken: Du bist gefangen in deinem Alltag.
Doch ist das wirklich so? Und wenn ja, welche Folgen hat diese vermeintliche Gefangenschaft für dich – für deine Lebensfreude, deine Gesundheit, deine Beziehungen? Vielleicht lohnt es sich, diese Fragen genauer zu betrachten. Denn oft liegt in der Auseinandersetzung mit dem Offensichtlichen der Schlüssel zur Veränderung.
Inhaltsverzeichnis
Bist du glücklich? Zufrieden? Erfüllt?
Wer kann diese Fragen wirklich mit JA beantworten?
Es gibt in unserer Gesellschaft ein Bild vom Menschen, dass beschreibt, wie er idealer Weise sein sollte:
- glücklich
- zufrieden
- erfüllt
- positiv
- sozial
- mitfühlend
Am besten jeden Tag, jede Stunde, in jeder Situation. Zeige der Welt, dass du sie im Griff hast, dass du jederzeit das Gute sehen kannst, verständnisvoll bist – auch dir selbst gegenüber. Ein Lächeln, selbst wenn andere nicht mehr lächeln können.
Die Botschaft ist klar: Du lebst nicht so, wie oben beschrieben ›› dann verändere dich. Jetzt kommen unterschiedliche Modelle zum Einsatz:
- positives Denken
- Religionen aller Art
- Ratgeber und Gurus jeglicher Richtung
- Fokus auf den Körper
- Fokus auf Besitz
- Fokus auf Familie und Freunde
Die Empfehlungen sind klar, eindeutig und Zeitverschwendung
Diese Modelle wissen auch sofort, was du, tun musst (oder lassen sollst), damit es dir besser geht. Einleuchtend formuliert, verständnisvoll für deine bisherige „Sündenhaftigkeit“ oder „Versagen“, kannst du durch sie auf den Pfad der Tugend kommen, dein Leben endlich richtig leben. Dank dieser Modelle, kannst du endlich der oder die sein, der in dir angelegt ist.
Spannender Gedanke: Indem ich tue was andere mir sagen, kann ich meine Individualität ausleben. Hm, klingt paradox und unvereinbar miteinander.
Ich dachte immer, wirkliche Individualität kann nicht von außen definiert werden, sondern nur von Innen heraus erfahren, erlebt und ausgelebt werden. Das ist ähnlich mit der Esoterik, der Lehre von Innen. Wer seine Wahrheit im Innen im Außen sucht, bei einem Guru, einem Buch oder in einem Seminar, der muss zwangsläufig scheitern, weil die Leere vom Innen nicht im Außen erfahren werden kann.
Na bravo, das hilft dir jetzt aber auch nicht weiter, oder?
Zumindest weißt du jetzt, was nicht funktioniert. Was nicht bedeutet, dass du durch diese Wege nichts gelernt hast oder spannende Impulse erhalten hast. Nur haben dich diese Wege nicht zu dir selbst geführt. Du bist nur besser geworden, so zu sein, wie andere dich haben wollen.
Zugegeben, dieser Weg wird in unserer Kultur gefördert, belohnt und geliebt. Sich im Rausch der Exoterik hinzugeben (Lehre vom Außen) zeugt von Lernbereitschaft, Veränderungswillen und bezeugt weder Kosten noch Zeit zu scheuen, um ein besserer Mensch zu werden. Gratulation von allen Seiten, positive Beurteilungen („du hast dich zum besseren verändert“) sind dir sicher. Andere loben deine Offenheit und deine daraus abgeleitete Weisheit und Erfahrung.
Doch deine innere Leere verschwindet damit nicht, sie wird nur durch andere Formen, Farben und Muster überdeckt. Du meditierst nach fremden Anweisungen und füllst nun damit die tägliche Aufgabe, diese 24 Stunden so zu überleben, dass es sich gut anfühlt. Du machst das Super-Workout, um deinen Körper zu stählen, weil jemand anderes es dir so vorgemacht hat. Du wiederholst täglich fremde Affirmationen, deren Ursprung von außerhalb von dir kommen.
»Seit kurzem ist die Vorstellung angekommen, der neueste Weg müsse auch der beste Weg sein. Die Werbung hat es übernommen, den Neuheiten-Wettlauf zu fördern. Es gibt keine Rast, keine Atempause. Nichts darf je gut genug sein, nichts je zufriedenstellend. Unsere unterschwellige Unzufriedenheit wird im Wunsch nach dem Neuen kanalisiert.«
Jean Liedloff
Lass mich doch!
Für mich zählt nur eine Frage!
Bist du innerlich erfüllt mit deinem Leben?
Wenn du diese Frage mit ja beantwortest, dann bleibe bei dem was du tust. Folge weiter fremden Anweisungen, besuche tolle Seminare und kaufe neue Ratgeberbücher (oder Online-Kurse). Wenn es dir dabei gut geht, höre auf diesen blöden Artikel zu lesen. Gehe raus und lebe!
Doch was, wenn du irgendwie ein Gefühl hast, manchmal kaum wahrnehmbar, dass es dich nicht erfüllt, nach fremden Vorgaben zu leben? Was, wenn du innerlich in ruhigen Momenten diese Leere spürst, die trotz all deinen Anstrengungen nicht weniger, sondern sogar noch größer geworden ist. Was, wenn du dir eingestehen müsstest, dass all die tollen Dinge, die du über Jahre getan, praktiziert und vorgelebt hast, nur roboterhaftes Nachahmen war, dass deine Seele nicht genährt hat?
- Eine kleine Geschichte
Mit vier Frauen lebte einst ein König. Eines Tages wurde er krank und lag auf seinem Sterbebett. Aus Angst, im Jenseits allein zu sein, wandte er sich an seine vierte Frau, die er am meisten liebte und mit Diamanten, Gold und eleganter Kleidung verwöhnt hatte. Er fragte sie: „Würdest du mit mir sterben und mich ins Jenseits begleiten?“ Die vierte Frau antwortete: „Es tut mir leid, ich kann das nicht tun“, und ging fort.
Der König liebte auch seine dritte Frau sehr, war stolz auf sie und prahlte mit ihr vor benachbarten Königreichen. Er rief sie und fragte: „Würdest du mich ins Jenseits begleiten?“ Doch die dritte Frau antwortete: „Ich liebe mein Leben zu sehr, und es tut mir leid, ich kann nicht mit dir gehen. Wenn du stirbst, werde ich wieder heiraten.“
Die zweite Frau war immer in seinen Zeiten der Not für ihn da. Also fragte er sie: „Würdest du mich ins Jenseits begleiten?“ Doch die zweite Frau antwortete: „Es tut mir leid, dass ich dir dieses Mal nicht helfen kann. Aber was ich tun kann, ist, dein Begräbnis zu organisieren, und ich werde bei deiner Beerdigung da sein.“
Plötzlich meldete sich eine Stimme: „Ich werde mit dir gehen und dir folgen, wohin auch immer du gehst, sogar ins Jenseits.“ Der König sah hin und erkannte, dass es seine erste Frau war. Doch diese Frau hatte er am wenigsten beachtet. Beschämt sagte er: „Es tut mir leid. Ich hätte besser für dich sorgen und dir mehr Aufmerksamkeit schenken sollen, als ich noch lebte.“
Die Moral dieser Geschichte lautet: Wir alle haben vier „Frauen“:
- Die vierte Frau ist unser Körper. Wir schmücken ihn gern mit Schmuck und schöner Kleidung, aber am Ende kann er uns nicht ins Jenseits folgen.
- Die dritte Frau repräsentiert unsere Besitztümer. Wir verbringen viel Zeit damit, sie zu sammeln, aber sie können uns nicht ins Jenseits folgen. Sie werden an andere Menschen weitergegeben, so wie die dritte Frau sagte, dass sie wieder heiraten würde.
- Die zweite Frau steht für unsere Freunde und Familie. Wir vertrauen ihnen, und sie sind immer für uns da, wenn wir sie brauchen. Doch der weiteste Weg, den sie mit uns gehen können, ist bis zu unserer Beerdigung.
- Die erste Frau repräsentiert unsere Seele. Wir neigen dazu, sie zu vernachlässigen, doch sie ist es, die uns ins Jenseits folgt.
Pflege deinen Körper, halte ihn gesund. Genieße deine Besitztümer und den Komfort, den sie bieten. Schätze deine Freunde und Familie für die Liebe, die sie dir geben.
Aber vergiss nicht, dich um deine Seele zu kümmern. Ernähre deine Seele. Nimm dir Zeit für dich selbst. Nimm dir Zeit zum Beten und Meditieren. Denn die Seele ist die Quelle deines Lebens und dein treuester Begleiter.
Ein Zwischenfazit für dich
Akzeptiere was ist
Der erste Schritt zu dir selbst ist eine radikale (an die Wurzel gehende), offene und ehrliche Bestandsaufnahme. Frage dich:
- Womit verbringe ich meine Zeit?
- Zeit für deinen Körper/Leib?
- Zeit für deine Besitztümer (Wissen ist auch Besitz)?
- Zeit für Freunde und Familie?
- Zeit für deine Seele?
Der Tag hat 24 Stunden, so kommst du sehr schnell auf 100 %. Frage Familie, Freunde und Menschen, die dich gut kenne, wie sie es bei dir einschätzen.
Fange nicht damit an – oder höre auf, es zu bewerten oder es im Sinne eine besseren Ergebnisses etwas zu korrigieren. Es ist nicht wichtig, wie es heute ist. Es ist nur wichtig, dass du ehrlich zu dir selbst bist.
Schaue es dir an. Das ist deine Priorität im Leben, bis heute. Das morgen kannst du nun gestalten!
Woran erkenne ich Zeit für die Seele?
Eine Versuch dieser Unterteilung zu entgehen, sich nicht offen im Spiegel anzuschauen ist es, zu sagen: Zeit für die Seele, was soll das sein. Gibt es sowas für die Seele überhaupt?
Ein anderer Versuch: Zeit für die Seele? Alles was ich tue, wirkt automatisch auf die Seele. Diese Unterscheidung macht keinen Sinn für mich. Blödsinn.
Zu beiden Strategien gratuliere ich dir. Du schützt dich selbst vor dir. Höre auf zu lesen. Vergiss diesen Artikel und lebe weiter wie bisher. So schlecht war es bisher nicht und wer weiß, vielleicht gibt ein Heilsversprechen von Außen, welches dir Erleuchtung, Erlösung, Glück und Fülle versprichst, wenn du lange genug etwas richtig tust. Es ist dein Weg, gehe ihn.
»Mit unendlichem Gespür vernimmt die Seele Töne, die das Ohr nicht hört,
und sieht, was den Augen verborgen bleibt,
durch alle Zeiten, Räume hin und über sie hinaus.
Grenzenlos, ursprünglich ist ihr Wissen – ihre Erinnerung.«
Yi Ging (I Ging)
Worauf es ankommen könnte
Du liest noch weiter?
Zeit für die Seele ist Zeit in Ruhe, in Stille, im Nichts-Tun, im Nicht-Handeln. Das bedeutet nicht automatisch Meditation, kann es jedoch sein, wenn es deine Meditation ist, dien inneres gewahr sein.
- Du tönst gerne beim in Ruhe, in Stille sein? Tue es.
- Du tanzt gerne dabei? Tue es.
- Du gehst dabei gerne in die Natur? Tue es.
Diese Zeit wird dich lehren, wird dich mit Impulsen beschenken, die es aufmerksam wahrzunehmen gilt.
Gerne kannst du vor dieser Zeit eine Frage aus deinem Herzen an deine Seele stellen und darum bitten, Antworten darauf zu erhalten. Diese Antworten kommen dann zu dir, wenn es eine wirkliche Seelenfrage ist (nein, die Frage nach den Lottozahlen ist es nicht).
Lausche nicht nur, sondern handle
Die Antworten kommen unscheinbar, leise, unaufdringlich, wie zufällig in dein Leben. Eine unerwartete Begegnung, ein Tier, welches zu siehst, ein „Gedanke“, der sich aus dem Nichts zeigt, ein Geruch, …. Sei achtsam und wertschätzend, und lasse dich mit Antworten beschenken.
Folge der Magie des Augenblicks immer tiefer, lass dich verführen von dir selbst, erlausche die Kraft deiner Seele auf allen Ebenen, mit allen Sinnen.
Doch dann gib acht, lasse es nicht beim Wahrnehmen, gehe in die Handlung. Folge den Seelenimpulsen, vertrauensvoll und mit Hingabe. Lasse es fließen, fließe mit, vertraue deiner Seele, dem Leben (wo ist der Unterschied)!
Der Seele zu lauschen, ohne etwas zu ändern, ist wie eine Badewanne einzulassen, ohne danach zu baden. Vergebens, unnötig, Zeit- und Ressourcenverschwendung.
Titelfoto von Thomas Griesbeck auf Unsplash
»Die Stille bringt meine Seele zum Klingen.«
Astrid Steinmetz
Lust dich selbst neu zu entdecken?
In den Sokratischen Formaten erkunden wir gemeinsam alltägliche Fragen und gehen ihnen individuell auf den Grund. Dabei entdecken wir uns selbst neu. Ein Format, dass durch Fragen und Stille in die eigene Tiefe führt ›› zu dir selbst führt! Mehr zum Format an sich in diesem Artikel.
Sokratisches Gespräch Online
Selbsterkenntnis braucht drei Dinge: Raum, Stille und Begegnung. Gespräche zu Fragen, die bewegen.-
Sokratischer Dialog zu Fragen des Lebens
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Online via Zoom
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maximal 8 Akteure
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1 x Monat
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für alle, die sich selbst besser kennenlernen wollen
Sokratischer Führungskreis Online
Ein sokratischer Dialog,der sich mit aktuellen Führungsthemen auseinandersetzt.
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Sokratischer Dialog zu Führungsthemen
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maximal 8 Akteure
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1 x Quartal
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für alle, die ihre Führungs-kompetenz stärken wollen
Sokratischer Männerkreis Online
Für Männer, die tiefer gehen wollen: Austausch, Reflexion und Wachstum auf Augenhöhe im Sokratischen Dialog.-
Sokratischer Dialog exklusiv für Männer
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6 x Jahr
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für Männer, die noch mehr in ihre Kraft kommen wollen