Über den Wert des Widerspruchs

Mit Menschen zu sprechen, die gleicher Meinung sind, tut der Menschenseele wohl. Es streichelt das Ego, es bestätigt die eigenen Grundannahmen über die Welt. Man fühlt: Ich bin nicht alleine mit meiner Meinung! Ich bin richtig mit meiner Meinung! Ich erlebe Resonanz mit meiner Meinung! Ich bin richtig! Ich habe recht!

Zielgruppe des Artikels

Menschen, die mehr über gelingende Kommunikation und den Umgang mit Kritik, Widerstand lernen wollen. Die ihre eigene Fähigkeit in Begegnung, in Beziehung zu gehen verbessern wollen.

Inhaltsverzeichnis

Gleichgesinnung suggeriert Sicherheit

Das ist der Grund, warum wir uns gerne mit Menschen umgeben, die ähnliche Weltansichten wie wir haben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Im Gegenteil, zu einem gewissen Teil brauchen wir dies. Es dient unserer konstruierten Sicherheit in einer sich wandelnden Welt.

Das Problem

Problematisch wird es, wenn wir nur noch in einer Bestätigungswelt leben. Wenn wir abweichende Meinungen, andere Weltbilder als problematisch beurteilen. Wir diese Meinungen meiden, sie im Vorhinein ablehnen und ihnen keinen Zugang mehr zu unserem Denken gewähren.

Zum Problem wird es, wenn wir dieser Bestätigungswelt einen zu großen Raum in unserem Leben geben. Dann besteht die Gefahr, dass wir abweichende Meinungen, andere Weltbilder im Vorhinein ablehnen. Ihnen den Zugang zu unserem Denken versperren.

Die Folge

Das Denken leidet unter dem Austausch mit Gleichgesinnten. Beim Austausch mit Menschen gleicher Meinung, denken wir kaum noch. Wir bestätigen uns gegenseitig. Wir wiederkäuen Bekanntes.

Unser Handeln wird chancenlos

Widerspruch, andere Weltbilder sind eine Einladung an das Denken, sich zu aktivieren. Doch meist lassen wir diese Chance (für uns und für das Gegenüber) liegen und handeln wie folgt.

Wenn wir den Menschen kennen

Kennen und schätzen wir den Widersprüchler, beginnen wir all unsere Geschütze aufzufahren, um ihn von SEINEM Irrtum zu überzeugen. Wir beginnen damit ihm zu beweisen, dass er falschliegt. Entweder indem wir seine Argumente entkräften wollen oder unserer Argumente mehr und mehr ins Feld führen.

Gelingt auf sachlicher Ebene kein Sieg, d. h. kein Meinungswechsel im Gegenüber, dann wechseln wir das Schlachtfeld. Es wird persönlich. Zuerst werten wir Menschen ab, die der Gegenüber zitiert oder auf die er sich bezieht. Sieht der Andere sein Fehlurteil noch nicht ein, dann werten wir ihn persönlich ab. Bleibt er hartnäckig, dann folgt der Beziehungsabbruch. Zuerst zeitweise, bei extremer Sturheit vollständig.

Diese letzten Phasen begleiten wir damit, dass wir das Fehlurteil des Gegenübers bei Verbündeten anprangern, um uns dort verbale, mentale Unterstützung zu holen. Wir nutzen die Gruppendynamik und dulden keinen Widerspruch! Nicht von Menschen, von deren Meinung wir bisher abhängig waren.

Wenn wir den Menschen nicht kennen

Leichter hat es der Unbekannte, der eine widersprüchliche Meinung vertritt. Auf ihn reagieren wir Abhängigkeit davon, in welcher Schublade der Unbekannte bei uns liegt (Rasse, Nationalität, Religion, politische Ausrichtung, Alter, Geschlecht, …). Am Ende werten wir wieder persönlich ab, schreiben ihm negative, persönliche Eigenschaften zu. Wir dulden keinen Widerspruch, zu denen Meinungen, die unser Weltbild zementieren! Auch nicht von Unbekannten. Unser Motto: Wehret den Anfängen.

Bedauerlich, tragisch und dumm

Beide Fälle sind bedauerlich, tragisch und dumm.

Es ist bedauerlich, weil wir eine Erweiterung unseres Weltbildes verhindern. Tragisch, weil wir eigene Fehlurteile länger in uns tragen müssen. Dumm, weil inneres Wachstum im Keime erstickt wird. Wir schwimmen in unserem kleinen Teich und denken, es wäre der unendliche Ozean.

Der Wert von Widerspruch

Widerspruch regt an. Widerspruch zwingt zum Hinterfragen der eigenen Gedanken. Widerspruch fordert die eigene Logik heraus. Widerspruch ist eine Einladung alte Gedanken, neu zu denken.

Wer die Tugend besitzt, den Widerspruch zu lieben, ihn einzuladen, sich auf ihn zu freuen, ihn zu umarmen, dankbar für ihn zu sein, dem offenbart sich eine bunte Welt. Der gibt sich von der entweder-oder-Welt in die sowohl-als-auch-Welt.

Weg vom binären Denken (0-1)

Er überwindet die schulische richtig-oder-falsch-Logik. 0 ODER 1. Er erkennt, dass Wahrheit die Erfindung eines Lügners ist (siehe Heinz von Förster und Bernhard Pörksen). Er versteht, dass Wahrheit subjektiv ist. Er erlebt, wie bereichernd und erleichternd es sein kann, fremde Wahrheiten zu erfahren – ohne in den Widerstand zu gehen. Er bekommt einen ersten Eindruck, was es bedeutet als Mensch einem Mitmenschen zu begegnen.

Hin zum Annehmen was ist

Wer andere Menschen annimmt, wie sie sind – kann viel Freude mit ihnen erleben. Wer andere umformen will, wie es seinen Erwartungen entspricht, wird Leid erschaffen.

Widerspruch und Selbstwert

Wer Widerspruch als Einladung in eine andere Welt ansieht, dem eröffnen sich unendliche Welten. Er braucht nur den Mut, seinen Selbstwert nicht von seiner Denkwelt abhängig zu machen. Und beim Gegenüber dies ebenfalls zu unterlassen.

Übungsräume, um Widerspruch zu üben

Wer Widerspruch im geschützten Raum üben möchte, respektvoll und klar – dem empfehle ich das Sokratische Format. In einem sicheren Rahmen ist jeder Mensch eingeladen, sich zu zeigen, seine Ansicht darzustellen und in Widerspruch zu gehen. Nicht zuzustimmen, sondern eine andere Meinung zu vertreten.

Es gibt drei Sokratische Formate:

Sokratisches Gespräch Online

Selbsterkenntnis braucht drei Dinge: Raum, Stille und Begegnung. Gespräche zu Fragen, die bewegen.
0 bis 99 Bestimme selbst den Preis.
  • Sokratisches Dialog zu Fragen des Lebens
  • Online via Zoom
  • maximal 8 Akteure
  • 1 x Monat
  • für alle, die sich selbst besser kennenlernen wollen
04. DEZ 2024

Sokratischer Führungskreis Online

Ein sokratischer Dialog,
der sich mit aktuellen Führungsthemen auseinandersetzt.
111 je Gespräch
  • Sokratische Reflexion zu Führungsthemen
  • Online via Zoom
  • maximal 8 Akteure
  • 1 x Quartal
  • für alle, die ihre Führungs-kompetenz stärken wollen
16. JAN 2025

Sokratischer Männerkreis Online

Für Männer, die tiefer gehen wollen: Austausch, Reflexion und Wachstum im Sokratischen Dialog.​
55 je Gespräch
  • Sokratischer Dialog exklusiv für Männer
  • Online via Zoom
  • maximal 8 Akteure
  • 6 x Jahr
  • für Männer, die noch mehr in ihre Kraft kommen wollen
18. JAN 2025